Das Drehbuch von Virtuelle Gemeinschaft und Beziehungen

Der Drehbuchteil von Spiele.

 

Kamera zeigt alle drei von vorne.  0:10 P: Wieso denn diese Ablehnung? Es ist doch wesentlich einfacher, in einer virtuellen als in einer realen Gemeinschaft soziale Kontakte auf der gesamten Welt zu schaffen und zu pflegen.
Kamera schwenkt auf Kontra. 0:20 K: Wieso möchten Sie überhaupt weltweite Kontakte bilden? Warum sollten Menschen nicht in ihrer unmittelbaren Umgebung nach sozialen Kontakten suchen, wie sie es bisher getan haben? 
Schnitt. Kamera auf Pro. 0:31 P: Das Internet ist doch die unmittelbare Umgebung für diese Menschen. Das heißt, daß sich die Begriffe der Umgebung und des Gemeinschaftsgefühls auf die virtuelle Ebene beziehen.
Schnitt. Kamera auf Moderator. 0:43 Moderator ergreift die Gelegenheit 
M: Um diese Begriffe der Umgebung und des Gemeinschaftsgefühls zu verdeutlichen, werden wir ein gestelltes Beispiel zeigen. Es handelt sich dabei um eine Situation, in der sich ein VG-Mitglied und sein WG-Mitbewohner streiten.
 
D. & M. in der Küche, die Kamera hat sie beide frontal oder im Profil. 0:00 Mike beim Abtrocknen. David kommt in die Küche. Sie begrüßen sich.
  0:10 D: Kannst du mir heute nachmittag mit meinem Turbolader weiter helfen? 
  0:15 M: Heute nachmittag? - Ne, ich habe heute noch so viel für meine Projektarbeit zu tun.
  0:22 D: Schade. Dann werde ich mal in meinem Volvo-Club nachfragen, wie ich das am besten mache.
  0:26 M: David, was soll ich mir eigentlich unter deinem Volvo-Club vorstellen? 
  0:32 D: Das ist ein ganz normaler Autoclub. Und inzwischen sind die meisten Mitglieder meine Freunde geworden.
  0:38 M: Feunde? Von deinen sogenannten Freunden habe ich hier noch keinen gesehen.
  0:47 D: Das ist schwierig möglich, da sie über ganz Europa verteilt sind, die wohnen eben nicht hier in der Nähe. Aber ich kann dich in unsere Gemeinschaft mitnehmen, wenn es dich interessiert. 
  0:50 M: Mitnehmen? Ins Internet? Soll ich in deinen Computer reinklettern? (grinsen
  1:05 D: Nein, natürlich nicht. Mir ist klar, daß ich mit meinen Freunden aus dieser Gemeinschaft nicht so zusammen wohnen kann, wie mit dir. Aber so unterhalten wie mit dir kann ich mich mit ihnen schon.
  1:20 M: 'Unterhalten' kannst du das ja nicht nennen. Ihr schreibt euch irgendwelche E-Mail, und wollt darin tiefgründig sein. Das ist kalt. Damit kannst du doch keine Freundschaften führen.
  1:26 D: Wieso sollen das keine Freundschaften sein. Ich erzähle ihnen von meinen Problemen und sie helfen mir dabei. Und umgekehrt.
  1:34 M: Probleme! Das sind Autoprobleme. Ihr unterhaltet euch über Turbolader und fachsimpelt. Da ist doch wirklich nichts Zwischenmenschliches dabei.
  1:45 D: Das stimmt nicht! (leicht erregt)  
Zwischenmenschlich!?
Natürlich, ich kann mich ja besser mit ihnen unterhalten, als mit dir, anscheinend!
  1:52 M: Besser als mit mir? (erregt)
Willst du damit sagen, daß dir deine Computerfreunde wichtiger sind als ich?
  1:57 D: (patzig) Du willst mich nicht verstehen?
  2:01 M: Machst du es dir da nicht etwas zu einfach?
  2:05 David schüttelt den Kopf und geht dann aus der Küche. 
Schnitt. Kamera auf Einschaltknopf des Computers. 2:11 David schaltet den Computer ein.
Schnitt. Kamera auf David schräg von hinten, der Bildschirm ist sichtbar. Zoom auf den Bildschirm. 2:14 Der Computer booted (3 sec).
Schnitt. Kamera auf David schräg von vorne, der Bildschirm ist nicht sichtbar. 2:17 D: (David tippt während der folgenden Szenen auf der Tastatur, wenn er spricht) Hi Telly! Heute schon dein Auto gewaschen? 
Telly und Judy sind jeweils durch einen Sprecher im Hintergrund zu hören. 2:22 T: Moin, Moin! Aber sicher, man gönnt sich ja sonst nichts.
  2:28 D: Hey, ich habe mir den Turbolader gekauft.
  2:33 T: Der ist echt super, den hat Nici auch. Der ist auch nicht so schwer einzubauen.
  2:39 D: Weißt du, wie das mit dem Einbau genau geht?
  2:43 T: Zu zweit ist das kein Ding, alleine bekommst du allerdings Probleme.
  2:53 D: Das ist schlecht, denn mein Freund streßt gerade ein bißchen.
  2:55 T: Was ist denn mit ihm los?
  3:02 D: Mike spinnt rum. Er fühlt sich vernachlässigt.
  3:05 T: Wieso fühlt er sich denn vernachlässigt?
  3:11 D: Er ist wohl neidisch auf unseren Club.
  3:20 J: Hallo Telly und David! Was "hör" ich da, das ist ja lächerlich. Der soll sich nicht so anstellen, nur weil er sonst keinen hat, mit dem er sich austauschen kann.
  3:31 T: Nimm dir das nicht so zu Herzen, das wird sich auf jeden Fall wieder einrenken. Denn, wenn er sich wirklich einen Freund von dir nennt, wird er dich so akzeptieren, wie du bist.
  3:41 J: Vollkommen richtig. Falls er sich zwischen uns stellen wollte, wäre er kein wirklicher Freund. Vielleicht ist ihm ja was ganz anderes über die Leber gelaufen und du hast es nur abgekriegt.
  3:54 D: Ja, wahrscheinlich habt ihr recht. Ich werde auf jeden Fall warten, bis es ihm wieder besser geht.
 
Schnitt. Kamera auf Pro von vorne. 0:10 P: Wie wir hier sehen, ist es das intensive Gefühl von Geborgenheit, das sich bei David einstellt, daß wirkliche Menschen rund um die Uhr da sind, wenn er sie braucht. 
Kamera zieht auf und zeigt alle drei von vorne. Zoomt dann auf Kontra. 0:19 K: Ja das stimmt (grins). Jedoch sind sie wirklich nur da, denn von einer Hilfe zur Lösung des eigentlichen Problems kann ja wohl keine Rede sein.
Schnitt. Kamera zeigt Pro von vorne. 0:24 P: Wieso am Ende fühlt sich David doch gut, also hat ihm die VG soziale Unterstützung gegeben.
Schnitt. Kamera zeigt alle drei von vorne. 0:31 K: Was soll das denn für eine soziale Unterstützung sein? Der Rat wird doch eher der Beziehung der WG-Bewohner schaden, als daß er Verständnis hervorruft.
  0:41 P: Das mag sein, wenn wir uns auf das gezeigte Beispiel beziehen, aber dies muß nicht so sein. Dennoch ist ein Gemeinschaftsgefühl in der VG vorhanden.
  0:49 K: Ich glaube eher, daß das Beispiel sehr repräsentativ ist, da die VG nur durch die subjektive Beschreibung Davids Einblick in die Situation bekommt.
  0:53 P: Dies ist doch bei allen Gemeinschaften so, seien sie nun virtuell oder real.
  1:08 K: Ja das ist fast richtig, es sei denn beide Parteien sind in der Gemeinschaft anwesend. Es ist also sinnvoller, wenn sich Mike und David gleich auseinandersetzten. Da David dies nicht tut, bestätigt er die Vermutung, daß er sich durch die Anwesenheit in der VG in der realen Welt isoliert.
  1:18 P: Von Isolation kann hier keine Rede sein. DieTatsache, des weltweiten Kontaktes, wiederspricht diesem Begriff grundlegend. Wir haben hier eine Gemeinschaft, eine VG, in der jeder Teilnehmer voll integriert ist.
  1:28 K: Das kommt immer darauf an, von welcher Gemeinschaft ich mich isoliere. Ich bezweifel ja nicht, daß die VG-Mitglieder in ihren VGs nicht isoliert sind, aber sie sind es in der Regel in den realen Gemeinschaften.
1:45 M: Ja meine Damen und Herren, leider ist unsere Zeit jetzt vorbei. In Sachen Internet sind sicherlich noch einige Fragen offen geblieben. Ich hoffe, wir haben ihnen trotzdem einen guten Überblick gegeben. Ich bedanke mich ganz herzlich bei Herrn Fink und Herrn Pfeffer. Und wünsche ihnen zu hause am Bildschirm eine gute Nacht.