Hier ein immer noch nicht fertiger Text - wer ihn lesen will, bitte - aber bitte nicht meckern, nur inhaltliche Kritik wird ernstgenommen.
Computerunterstützte Kommunikation - CMC (Computer Mediated Communication)
Peter Becker - Eine Ausarbeitung eines Referates vom **** über H.Rheingolds Buch "Virtuelle Gemeinschaften".
Dieser Artikel ist eine längere Version eines Referates, daß im Rahmen der Veranstaltung "Information - Informationssysteme - Informationsgesellschaft" im WS96/97 an der Philipps-Universität Marburg gehalten wurde. Er gibt einen Überblick über die wichtigsten Formen der CMC, erläutert einige Beispiele der Anwendung solcher Möglichkeiten und versucht mögliche Entwicklungen dieser Technologien - vor allem in den sozialen Auswirkungen - aufzuzeigen.
Einführung
Computer entwickeln sich immer mehr zu unabdingbaren Werkzeugen in unserem Lebensabläufen. Nicht nur in den unterschiedlichsten Berufen, sondern auch in vielen Bereichen der Freizeitgestaltung übernimmt der Computer nach und nach so viele Aufgaben, daß er zu einem wesentlichen Bestandteil unseres Lebens wird. Dies hat ernstzunehmende soziale Konsequenzen, spätestens dann, wenn sich unsere Verhaltens- und Denkweisen sich dem Computer anpassen.
Ein Bereich, in den der Computer immer mehr vordringt, ist der der zwischenmenschlichen Kommunikation. Immer stärker werden die klassischen Kommunikationsformen wie die verbale Kommunikation und die Briefe, aber auch modernere Medien wie Zeitung, Radio, Fernsehen und Telefon, durch CMC ersetzt, bzw. auf Computern umgesetzt. Wie schnell diese Prozesse stattfinden und welche Konsequenzen sie für unsere Kommunikation haben, ist uns dabei häufig nicht bewußt.
Dieser Artikel soll daher im ersten Teil einige der wichtigsten Formen der Computerunterstützten Kommunikation vorstellen und Ausblicke auf neuere Entwicklungen geben. Im zweiten Teil werden dann einige Möglichkeiten der Nutzung von CMC vorgestellt, um dann potentielle Chancen und Gefahren dieser Techniken zu zeigen.
1 Wichtige Techniken der CMC
E-Mails entstanden mit den ersten Timesharing-Computern, als es nötig wurde, daß die Benutzer eines Systems miteinander und vor allem mit der Administration kommunizieren mußten. Ein Benutzer konnte eine Nachricht an einen anderen Benutzer bzw. den Administrator schicken, der den Erhalt der Nachricht beim nächsten login gemeldet bekam und sie lesen konnte.
Mit der Entstehung des ARPANET (1969) bestand dann auch die Möglichkeit E-Mails über größere Distanzen zu verschicken. Sehr schnell bildete sich dann auch eine Kommunikationsform "viele zu vielen", nämlich die der Mailing-Listen. Die erste große Mailing-Liste war die Liste SF-LOVERS (Liebhaber der Science-Fiction-Literatur - die teilweise heute noch übliche Schreibweise in Großbuchstaben entstand, da die damaligen Computer keine Kleinbuchstaben verarbeiteten). Das Thema der Liste ist typisch für viele Ursp rünge der CMC, viele der anfänglichen Enthusiasten, die solche Medien nutzten, kamen aus dem Umfeld der SF-Literatur oder waren ihr sehr zugetan. Noch heute findet man im Internet auffällig viele Spuren solcher Interessengruppen.
Heute gibt es immer noch sehr große Mailinglisten, vor allem auch zu wissenschaftlichen Themen. Die größten Netze, die solche Mailinglisten verwalten sind das BITNET, bzw. das Europäische Pendant, das EARN. Beide sind auch über das Internet erreichbar.
Usenet
Usenet basiert auf dem UUCP-Protokoll, das 1977 an den Bell Laboratories entwickelt wurde und dazu dient, Dateien via Modem von einem Unix-Rechner zu einem anderen zu kopieren. Viele Rechner wurden so konfiguriert, daß sie sich nachts anriefen und die sogenannten Newsgroups austauschten, die man auch heute noch über das Internet erreicht. Diese sind Listen von Mitteilungen ("Postings"), die die Nutzer anderen zukommen lassen. Ursprünglich diente auch dies nur administrativen Zwecken, die Newsgroups sollten vor allem den Administratoren helfen, sich gegenseitig zu unterstützen. Die Verbreitungsgeschwindigkeit war sehr gering, da die Rechner nur einmal in der Nacht miteinander kommunizierten, und jeder auch nur einige Rechner im Verband anrief, so daß sich n eue Postings nur langsam im Usenet verteilten.
Heute ist auch das Usenet stark an das Internet angebunden, die Kommunikation der Rechner erfolgt über Standleitungen und TCP/IP, die Verbreitungsgeschwindigkeit ist dementsprechend viel höher. Die Zahl der Newsgroups ist immens, allein der Marburger Newss erver verwaltet über 8000 Newsgroups - viele Newsgroups sind dabei nur für lokale Zwecke (z.B. die Newsgroups Marburg.* auf news.uni-marburg.de). Nichtsdestotrotz ist das Usenet - zumindest theoretisch - vom Internet nicht abhängig, sondern könnte wieder a uf UUCP zurückgreifen.
Chatting
Unter Chatting versteht man - im Gegensatz zu den beiden schon behandelten Kommunikationsformen - eine synchrone Kommunikation zwischen zwei oder mehr Benutzern. Der Ursprung (vermutlich noch nicht unter diesem Begriff) liegt auch hier in den Anfängen der Timesharing-Computer. Schon damals gab es den Befehl talk, der es zwei Benutzern ermöglichte, über ihre Konsolen zu kommunizieren. Diesen Befehl findet man auch heute noch in den gängigen Unix-Systemen.
Heute ist es im Internet sehr verbreitet, Chatting von vielen zu vielen zu betreiben, das verbreitetste Protokoll dabei ist das 1988 an der Universität Oulu (Finnland) entwickelte Internet Relay Chat Protokoll (IRC). Chat-Foren gibt es inzwischen für fast alle denkbaren Themen.
BBSs
Die Bulletin-Board-Systems, auch als Mailboxen bezeichnet, haben eine hervorstechende Eigenschaft: sie sind (relativ) billig. Das liegt nicht nur an den geringen Hardwareansprüchen (ein simpler Homecomputer mit Modem reicht), sondern auch daran, daß die nö tig Software meist als Share- bzw. gar Freeware vertrieben wird. Die zugrundeliegenden Protokolle basieren auf dem MODEM bzw. XMODEM Programm, die zwei Privatleute aus dem Raum Chicago für Ihre persönlichen Zwecke geschrieben haben. Auch hier ging es erstmals - wie bei UUCP - nur darum, Dateien zu übertragen.
Aufbauend auf diesen Protokollen entstanden dann zunächst lokale Foren, in denen Binärdaten, aber auch Texte ausgetauscht wurden. Später schlossen sich dann auch BBS-Betreiber zu größeren Netzen zusammen, indem sie ihre Rechner so konfigurierten, daß sie sich - ähnlich dem Usenet - nachts anriefen. Mit das bekannteste und verbreitetste solche Netz ist das FidoNet, aber es existieren viele weitere solcher Netze, die sich zu den unterschiedlichsten - häufig auch politischen - Zwecken gegründet haben. Ein an deres verbreitetes Anwendungsfeld sind die BBSs von Hard- und Softwareherstellern, die dort ihre Treiber und Updates veröffentlichen. Dieser Anwendungsbereich wird aber inzwischen immer mehr in das Internet verlagert.
Minitel
Dieses breitangelegte Kommunikationssystem wurde mit ersten Versuchen 1981 von der französischen Regierung ins Leben gerufen. Ziel war es zunächst nur, das Telefonbuch durch eine elektronische Variante zu ersetzen, der Telefonbenutzer bekam dazu ein Termin al kostenlos zur Verfügung gestellt, auf dem er Telefonnummern abfragen konnte. Bald entwickelte das Projekt dann aber auch einen ähnlichen Funktionsumfang wie das deutsche BTX. Nach wie vor war aber nur Kommunikation nach dem Rundfunk-Paradigma geplant , d.h. einige senden, viele empfangen.
Die Kommunikation nach dem Netz-Paradigma (viele zu vielen) entwickelte sich im Straßburger Teilnetz Grètel. Hier gab es einen Rückkanal, der es den Anwendern ermöglichte, Nachrichten und Anfragen an die Administration zu senden. Dieser Rückkanal wurde dann aber von einem Anwender mißbraucht, um Nachrichten an seine Freunde zu schicken, was ursprünglich gar nicht möglich sein sollte. Nachdem dieser Mißbrauch entdeckt wurde, wurde er aber nicht unterdrückt, sondern von den Verwaltern weiter gefördert und diese Form der Kommunikation wurde offiziell in den Leistungsumfang des Netzes aufgenommen, wodurch sich die Nutzungsrate vervielfachte.
Weiterhin drangen auch viele Anbieter des Rotlicht-Gewerbes in Minitel vor, deren Angebote ausgiebig genutzt wurden. So wurde Minitel im Gegensatz zu ähnlichen Projekten in England und Deutschland, die keine Kommunikation nach dem Netz-Paradigma ermöglicht en, ein voller Erfolg, anfangs brach das Netz sogar häufig aus Überlastung zusammen.
MUDs / MUSEs
Das erste Multi-User-Dungeon wurde 1979/80 an der Universität von Essex von einigen Studenten entwickelt. Der Nutzer konnte sich in einen Server einloggen, von dem er eine virtuelle Umwelt textuell beschrieben bekam. Ihm wurde ein Alter Ego (ein sogenannt er "Avatar") in einer Welt im Fantasy-Stil zugewiesen, die auf dem sogenannten Hack&Slay-Prinzip beruhte, d.h. kurz gefaßt, wer am besten kämpft gewinnt.
Heute gibt es viele verschiedene MUDs, der Begriff wird auch häufig als Multi-User-Dimension aufgefaßt, da es sich bei den verfügbaren Welten nicht mehr grundsätzlich um Höhlen und Kerker handelt. Eine andere Bezeichnung ist Multi-User-Simulation-Environm ent (MUSE), die vor allem bei komplexeren Systemen genutzt wird.
Die Entwicklung der Welten ist inzwischen auch deutlich von den reinen Hack&Slay Umgebungen abgerückt, es werden durchaus auch ernste Anwendungen solcher virtueller Umgebungen versucht. Mit die interessanteste Entwicklung ist die Entstehung von Skriptspra chen, mit denen der Nutzer selber Objekte und Räume in der virtuellen Welt bilden kann. So wird die virtuelle Umgebung der Nutzer solcher Systeme von ihnen selbst immer weiter ausgebaut. Bei vielen Systemen existieren nur sehr wenige Auflagen bei der Erst ellung neuer Elemente, so daß sich deren Welten sehr frei entwickeln können.
Habitat
Habitat ist ein Projekt, das die offizielle Bezeichnung "Computerunterstütztes kooperatives Spiel" trug, womit die Zielsetzung - eine spielerische, somit leichte Kommunikation - Ausdruck findet. Es entstand ca. 1989 in Zusammenarbeit mit der Firma LucasArt s Entertainment, die vor allem für Computerspiele und inzwischen auch für Special Effects bei Hollywood-Filmen bekannt wurde. Im Gegensatz zu den MUDs/MUSEs wurde hier ein 3D-Darstellung genutzt, in der die Figuren der Nutzer dreidimensional dargestellt w u rden, mit den eingegebenen Texten als Sprechblasen über ihnen. Aufgrund des noch nicht sehr leistungsfähigen Frontends (der Heimcomputer C64) war die Darstellung allerdings noch sehr beschränkt, aber es schon möglich, seinen Avatar Gesten vollziehen zu lassen. Interessant ist, welche sozialen Strukturen sich in diesem - relativ lose verwalteten - System schon entwickelten.
Rheingold beschreibt dies so (VG S.237f): "Weil die Designer dem sozialen Verhalten der Avatars nur wenige Regeln auferlegten. sahen sich die Spieler in Habitat gezwungen, Debatten über soziales Verhalten zu führen. Eine der wesentlichen Fragen bestand dar in, wie die Avatars unter ontologischen Gesichtspunkten zu beurteilen seien: War ein Avatar die Projektion der Persönlichkeit des Spielers, und mußte daher respektvoll behandelt werden? Oder war ein Avatar nicht realer als die Figur eines Video-Spiels? Aus Abstimmungen ging hervor, daß die Spielergemeinschaft in dieser Frage gespalten war. Die Diskussion wurde erneut geführt, als eine Gruppe von Spielern viele andere Avatars erschossen, um auf das ungelöste Problem aufmerksam zu machen. In der folgenden großen Debatte, die über den Waffengebrauch in Habitat geführt wurde, wurden zwei interessante Beschlüsse gefaßt: Die Spieler beschlossen, Schußwaffen aus den Städten zu verbannen, aber außerhalb der Stadtgrenzen weiterhin zuzulassen. Daraus ergab sich die Notwendigkeit, Sheriffs zu wählen, denn wenn ein Gesetz beschlossen wird, muß es auch durchgesetzt werden. Das andere erstaunliche Ergebnis bestand in der Gründung des Order of the Holy Walnut, der ersten Religionsgemeinschaft in Habitat. Der Gründer, im wirklichen Leben ein Priester der Griechisch-Orthodoxen Kirche, erlegte seinen Gemeinschaftsmitgliedern auf, nicht zu stehlen und keine Waffen zu tragen."
Dieser Orden erhielt recht hohen Zulauf und der Priester wurde zu einem hochangesehenen Mitglied der Habitat-Gesellschaft.
Das System wurde später dann von der japanischen Firma Fujitsu übernommen und auf leistungsfähigere Rechner portiert, in Japan laufen wohl immer noch Systeme, die auf Habitat basieren.
Moderne Computerspiele
Heute ist die Anbindung an Netzwerke, vorzugsweise eine Unterstützung einer Kommunikation über das Internet, Grundvoraussetzung für erfolgreiche Computerspiele unterschiedlicher Genres. Kein 1st-Person-Shooter à la Doom oder Echtzeit-Strategiespiel à la Wa rcraft hat nur die geringste Chance sich gut zu verkaufen, wenn es keine Multiplayer-Option mit Netzwerkunterstützung hat. Im Zusammenhang mit dem Internet entwickeln sich dafür spezielle Protokolle wie z.B. TEN oder KALI.
Ein anderer Trend geht zu einer Weiterentwicklung der MUDs. Hersteller von Computerrollenspielen entwickeln Systeme, die die Idee der MUDs aufgreifen, aber moderne grafische Oberflächen nutzen. Der Spieler kauft sich das Spiel auf CD-ROM, installiert es b ei sich zu Hause, und logt sich via Internet in einen Server ein, der vom Hersteller des Spiels geführt wird. Dieser Server verwaltet die Welt und die Figuren der Spieler. Auch wenn sich dabei nichts Grundsätzliches gegenüber den MUDs ändert, so erzeugt die grafische Oberfläche einen leichteren Zugang in die virtuelle Welt und die Entwicklung von sogenannten NPCs (Non-Player-Characters) bevölkert die Welten mit zusätzlichen, virtuellen Wesen. Diese sind zumeist nicht speziell gekennzeichnet, so daß es für den Spieler nicht eindeutig erkennbar ist, ob er gerade mit einem anderen Menschen oder einer Künstlichen Intelligenz kommuniziert.
Auch hier entstehen durch die Entwicklung zu immer komplexeren Welten immer mehr unterschiedliche Rollen, die man in diesen annehmen kann. Häufig wird dabei bewußt auf Beschränkungen verzichtet, um dem Spieler Spielraum in der Wahl seiner Rolle zu geben.
Zukunftsaussichten
Viele der beschriebenen Techniken werden immer weiter entwickelt. So gibt es auf VRML, einer Beschreibungssprache für 3-dimensionale Räume, aufbauend z.B. das CyberHub von Black Sun Interactive, das ähnliche Welten wie Habitat als Browser-Plugin realisiert. Bei solchen Welten geht man auch immer mehr dazu über, Sprache akustisch zu übertragen.
Auch die klassischen MUDs stehen noch im Interesse der Forschung. So läuft am MediaLab des MIT ein großes MUD, andere laufen z.B. an den Universitäten von Stuttgart und Karlsruhe.
Große Fortschritte macht auch die Darstellungstechnologie. Abgesehen von immer besser auflösenden Grafiksystemen, setzen sich immer mehr auch stereoskopische Verfahren, wie z.B. LCD-Shutter-Brillen durch, die inzwischen auch für Heimanwender erschwinglich sind.
Durch immer schnellere Übertragungsmöglichkeiten, ist es möglich, Bilddaten in Echtzeit zu übertragen um so Bildtelefonie zu ermöglichen und z.B. einem Telearbeiter mehr Präsenz zu geben.
Sogenannte CAVEs - Räume, die an mehreren Wänden Rückwandprojektionen erlauben, und so, teilweise noch durch LCD-Shutter-Brillen unterstützt, einen noch intensiveren Eindruck der Teilnahme erzeugen, sind an mehreren Forschungsinstituten installiert, um die Möglichkeiten zu untersuchen, sie für Arbeitsabläufe, Trainings und Konferenzen zu nutzen.
2 Auswirkungen der CMC
Politische Projekte mit CMC
CMC wird immer stärker auch dazu genutzt, Politik zu treiben. Einer der Vorreiter dieser Anwendungen von CMC ist der Amerikaner Dave Hughes, der damit anfing, in seiner Heimatstadt Einfluß auf die lokale Politik zu nehmen, als er sich durch einen neuen Ges etzesentwurf zur Telearbeit (der er nachging) bedroht fühlte. Er schaffte es über Zeitungen, aber vor allem auch mit Hilfe seiner Mailbox, dieses Gesetz zu verhindern. Später nutzte er seine Mailbox, um es einem Bürgermeisterkandidaten zu ermöglichen, mit seinen potentiellen Wählern in politische Diskussionen zu treten - ein Angebot, das ausgiebig genutzt wurde.
Aber auch Minitel wurde politisch genutzt. In Minitel hatten die Zeitungen ihre Bereiche, in denen sie kostenlos veröffentlichen durften - diese Regelung war eingeführt worden, um den Widerstand der Zeitungen zu bremsen. Der Online-Nachrichtendienst der Tageszeitung Libèration wurde 1986 von den französischen Studenten dazu genutzt, einen landesweiten Streik zu organisieren.
Das Internet erfährt regelmäßig politische Aktionen. Nach dem Gau in Tschernobyl z.B. sammelten Sowjetrussen an verschiedenen Orten Meßdaten über die radioaktive Strahlung, die sie in einem Sowjetrussischen Mailbox-Netz zusammenführten und von dort aus i m Internet veröffentlichten. Daten, die die sowjetische Regierung geheim halten wollte.
Im Golfkrieg berichteten Augenzeugen aus Kuwait mittels des Internets über den Krieg. Angeblich nutzen auch die großen Nachrichtensender solche Quellen, um ihre Informationen zu beschaffen.
Mexikanische Indianer nutzen das Internet, um ihren Guerilla-Krieg an die Öffentlichkeit zu tragen, um Statements zu veröffentlichen, die ohne CMC wahrscheinlich nicht eine breite Öffentlichkeit erreichen würden (ARTE).
Aber auch staatliche und große politische Gruppierungen nutzen inzwischen CMC. So findet man Informationen zu vielen staatlichen Organisationen und auch allen großen westlichen Parteien im Internet, teilweise dienen diese der Serviceleistung, häufig aber auch einer politischen Selbstdarstellung.
Kulturelle Projekte mit CMC
Immer mehr drängen auch kulturelle Angeboten in das Internet. Das fängt an mit Selbstdarstellungen von Kulturstätten wie Museen und geht weiter über das Angebot von Bildern, Musik und Filmen bis hin zu interaktiven Kunstprojekten, in denen die Nutzer geme insam - teils gleichzeitig, teils im Wechsel - kreativ sein können. Nicht zuletzt werden natürlich auch die üblichen Kommunikationsmedien der CMC genutzt, um Kulturereignisse zu planen und Ideen auszutauschen.
Auch der Bildungsbereich ist inzwischen vertreten. So bietet z.B. die Fernuniversität Hagen Kurse über das Internet an, sogar Seminare werden mit Bildtelefonen abgehalten. Projekte wie das amerikanische BigSkyTelegraph oder das deutsche Schulen ans Netz versuchen auch den Schulen die Möglichkeiten computerunterstützter Kommunikation zu öffnen.
Auch hier steckt die Entwicklung noch in den Kinderschuhen, die vorhandenen Möglichkeiten sind noch nicht ausgeschöpft, mit der Entwicklung der Medien entwickeln sich noch zusätzliche Möglichkeiten.
Soziale Bedeutung von CMC
Welche soziale Bedeutung hat CMC, bzw. kann sie haben? Der amerikanische Soziologe (?) Ray Oldenburg beschreibt in seinem Buch The Great Good Place drei wesentliche Orte im menschlichen Leben: das Zuhause, den Arbeitsplatz und die sogenannten Dritten Räum e - die Räume in denen wir der Geselligkeit nachgehen. Das können z.B. öffentliche Plätze, Gaststätten aber auch Friseurläden sein. Rheingold (VG S.40 f.) findet in Oldenburgs Definition der Dritten Räume WELL wieder, das System, in dem er seine ersten E rfahrungen mit CMC gemacht hat.
Ich denke, auch bei den Arbeitsplätzen gibt es Tendenzen, daß Arbeitsplätze in virtuelle Welten verlagert werden. Sicherlich ist da die Frage, ob und - wenn ja - wann man einen Arbeitsplatz nicht mehr als einen CMC-nutzenden Arbeitsplatz, sondern einen als einen virtualisierten Arbeitsplatz ansieht, aber für mich ist eine solche Idee mit Einführung von virtuellem Geld vorstellbar.
Einige Aussagen, die Rheingold und andere in seinem Buch äußern, habe ich in der Zitatensammlung weiter unten aufgeführt, um einen Eindruck davon zu bieten, welche Auswirkungen CMC auf das Sozialverhalten der Leute ausüben kann, die mit ihr in Berührung k ommen.
Zensur
Wie bei jedem anderen Medium stellt sich auch bei den Medien der CMC die Frage, ob und wenn ja wie zensiert werden sollte. Dabei stellt sich neben ethischen, politischen und religiösen Problemen hier stärker als je zuvor auch die Frage der technischen Mach barkeit. Die hohe Geschwindigkeit und Flexibilität - nicht zuletzt bzgl. Verschlüßelungsverfahren - machen Zensuren wesentlich schwieriger als z.B. bei Printmedien. Auch ist es rechtlich schwierig, einen Verantwortlichen zu finden, ein Konzept wie der V.i .S.d.P. greift hier nur schlecht.
Dennoch hat es Zensurversuche gegeben. Eine der bekanntestes Aktionen - wohl auch aufgrund ihrer Größe - war die sogenannte Operation Sun Devil des Amerikanischen FBIs. (VG S.308ff.) Sie fand am 24.Januar 1990 statt, über 150 FBI-Agenten und viele weitere Polizisten und private Sicherheitsleute nahmen daran teil. Grund für diese Aktion war die Verbreitung eines Dokumentes, das - wie sich im Nachhinein herausstellte - für unter einhundert Dollar zu erwerben war. Im Verlaufe dieser Aktion zeigte sich immer wieder, wie unwissend die FBI-Agenten waren. Eine Unwissenheit, die sich häufig in Fehlern äußerte. Kontakte zu russischen Programmierern galten als belastend, ebenso die Mitgliedschaft in der Hacker's Conference, einer Vereinigung von Programmierern, die sich unothodoxen Programmiertechniken verschrieben hatten, und nicht dem Eindringen in fremde Computersysteme. Weitere ähnliche Aktionen folgten, bei denen sich das FBI - häufig auch vor Gericht - regelrecht blamierte. Seit Operation Sun Devil gibt es i n den USA eine Vereinigung zum Schutz von Betroffenen solcher Aktionen - die Electronic Frontier Foundation, die z.B. Anwälte stellt und Informationen anbietet.
Auch Verbote von Inhalten im Internet - vor allem von politischen - scheiterten häufig. Zumeist wurden verbotene Dateien nach Razzien an anderen Stellen im Netz - und auch auf der Welt - wiederveröffentlicht, teilweise von Leuten, denen es nicht um die In halte der Dateien, sondern um die Verhinderung von Zensur ging. Die Dynamik des Netzes sorgte dafür, daß die Zugänge (d.h. die Links) zu den Dateien innerhalb kürzester Zeit wiederhergestellt waren. Einer der Pioniere der CMC-Technologien, John Gilmore, sagte dazu: "Das Netz interpretiert Zensur als Fehler und umgeht sie." (VG S.19).
Auch wenn westliche Demokratien eine solche Meinungsfreiheit verkraften sollten, ja sogar der für die Telekommunikation in Frankreich verantwortliche Minister auf die Frage nach Zensur des Minitel Systems nur antwortete: "Der Briefträger öffnet keine Umschläge" (VG S.286), bleibt die Frage, in wieweit weniger offene Staaten mit diesem Thema umgehen werden. So breitet sich das Internet z.B. auch in die totalitären Staaten von Singapur und Taiwan aus.
Ein anderer Aspekt ist die Tatsache, daß Zensur auch dazu dienen kann, soziale Umgangsformen zu sichern. Gerade in Medien, in denen man nahezu völlig anonym ist, und wo das Angebot so riesig ist, daß man nicht auf einzelne Foren angewiesen ist, ist eine s oziale Kontrolle kaum noch möglich. Durch Zensur kann man versuchen, sie zu ersetzen, läuft dann aber auch Gefahr, Meinungen einzuschränken. Lionel Lumbroso, Betreiber von CalvaCom, eines solchen Forums, antwortete auf die Frage nach dem sozialen Problem, das ihn am meisten aufgeregt hätte: "Der Konflikt zwischen der Notwendigkeit, eine gastliche Atmosphäre aufrechtzuerhalten, und der Versuchung, Leute zu zensieren." (VG S.275) In einigen Systemen ist es auch durchaus üblich, Schimpfwörter und ähnliches herauszufiltern und durch Zeichenfolgen in Comic-Manier zu ersetzen.
Vorteile und Gefahren der CMC
Wie alle Technologien birgt auch CMC viele Chancen, aber auch Gefahren in sich. Eine der größten Chancen ist es vielleicht, daß sich durch den Wechsel vom Rundfunk- zum Netz-Paradigma, d.h. der Kommunikation vieler mit vielen, ein neues Forum entwickelt, das ähnlich kreativ wird wie der Marktplatz im alten Athen. Durch die schnelle und leichte Verbreitung von Informationen ist eine Steigerung des Wissens und der Bildung jedes einzelnen möglich, Arbeitsweisen könnten optimiert werden, Forschungsergebnisse schneller umgesetzt werden.
Auf der anderen Seite könnte man CMC dazu nutzen, neue Kontrollmechanismen zu entwerfen, mit denen einige wenige viele Menschen kontrollieren könnten. Das käme der Situation eines Panoptikums gleich, wie sie Rheingold (VG S.28) beschreibt. Die Folge wäre die vielbeschworene Mehrklassengesellschaft, die einen mit Zugang zu relevanten Informationen, die anderen ohne.
Eine andere Gefahr, die ich in den Entwicklungen der CMC sehe, ist der Mißbrauch des Mediums zu reinen Unterhaltungszwecken. Durch eine Überflutung mit Unterhaltungsangeboten würde von konkreten Inhalten abgelenkt, politische Informationen und Bildung käm en zu kurz, es würden nur noch Pseudoinformationen vermittelt - ein Phänomen, das man schon bei Medien wie Radio & Fernsehen beobachten kann, aber auch in den Printmedien wie den Boulevardblättern und der BILD-Zeitung. Damit würde Multimedia dann so etwas wie das neue Opium fürs Volk. Schon heute kann man bei vielen Nutzern von Sucht sprechen, die Grenze zwischen realem Ich und Alter Ego verschwindet. (Beispiele in der Zitatensammlung unten)
Alvin Toffler drückt eine ähnliche Bedrohung
so aus (ARTE): "Man wird nicht mehr an das glauben, was man sieht.
Die Gefahr besteht in einer Spaltung der Gesellschaft. Es wird eine Menge
Leute geben, die an nichts mehr glauben und total zynisch werden. Diese
Gruppe ist anfällig für demagogische Beeinflussung, bereit für
den Faschismus und für eine autoritäre, totalitäre Politik.
Der andere Teil der Bevölkerung besteht aus denjenigen, die nicht
glauben, was sie sehen. Für sie gibt es nur eine einzige Wahrheit.
Sie werden zu Fanatikern. Die Manipulationen der Wahrheit und der Bilder
auf verschiedene Weise birgt eine Gefahr in sich. Für mich liegt diese
Gefahr in der Spaltung der Bevölkerung. Wir nennen es das Ende der
Wahrheit."
Sicherlich sind solche Bedrohungen ernstzunehmen. Doch ähnliche Befürchtungen wie sie jetzt bei den neuen Medien entstehen gab es schon bei der Einführung vieler anderer Medien. So wurde vom privaten Telefon befürchtet, es würde ein Eindringen in die Privatsphäre ermöglichen, heute ist es zum Alltagsgegenstand geworden, der für die wenigsten Menschen noch angsterregend ist. Ein ähnliches Beispiel gibt Chuck Atalier mit dem Beispiel des Buchdrucks (ARTE), der zum Sieg der Kirche, des Papsttums und der Deuts chen Kaiser führen sollte, aber den Protestantismus und die Diasporen hervorbrachte. Er vergleicht die Tribes im Internet mit den damaligen Diasporen und hofft, daß sich die Entwicklung zu einer mehrdimensionalen Demokratie, d.h. einer Demokratie, die sich nicht mehr nur auf die Erdoberfläche beschränkt, vollzieht, bevor die Industrie die Mitglieder der Tribes als Marktwerte vereinnahmt.
Zitate
Die Zitate sind inzwischen hier.
Glossar
Auch das Glossar ist inzwischen ausgelagert.
Literatur
Howard Rheingold: Virtuelle Gemeinschaften: Soziale Beziehungen im Zeitalter des Computers
Bonn; Paris; Reading, Mass. [u.a.]: Addison Wesley, 1994 ISBN 3-89319-671-4
ARTE-Themenabend vom 9.1.1997
Tom Sperlich, Dr.Gernot Schärmeli: Höhlenbewohner: 3D-Umgebung der virtuellen Art
in c't magazin für computer technik, Ausgabe 1/97 Hannover: Verlag Heinz Heise